Im Zentrum Perus (27.10. - 09.11.2017)
Die Cordilliera Blanca gilt nach dem Himalaya als das zweit höchste Gebirge der Welt. 18 Sechstausender und über 50 Fünftausender versammeln sich hier auf engem Raum. Sie sind von Gletschern und Schnee überzogen was dem Gebirge seinen Namen gibt. Von unserem "Basislager" in Caraz erklimmt Rhino als erstes die steile Piste zur Laguna Parón (4'200 m). Das Wetter spielt mit, die Lagune strahlt türkisblau. Eine solch intensive Farbe einer Wasserfläche hatten wir nicht einmal auf unseren Reisen durch Kanada erlebt. Wir wandern der Lagune entlang und lassen die Kulisse auf uns wirken. Weit hinten erheben sich die hohen Chacraraju (6'103 m) und Artesonraju (6'025 m).
Am zweiten und dritten Tag ist uns das Wetter nicht so gnädig. Wir überqueren als erstes den Pass Portachuelo de Llanganuco (4'767m). Bei der Laguna Llanganuco beobachten wir noch zwei Kondore, wie sie weit oben vor der Felswand kreisen. Rasch nehmen wir dann den Pass in Angriff, um nicht ins schlechte Wetter zu geraten. Auch hier gilt: Morgenstund hat Gold im Mund! Nur kurz zeigt sich die Süd-Spitze vom Huascaran (6'768m), dem höchsten Berg von Peru. Gemäss einer Messung von 2013 ist der Gipfel übrigens der Punkt mit der geringsten Erdbeschleunigung weltweit. Auch das muss doch mal gesagt sein;-) Die Piste ist vom Regen aufgeweicht, aber wir kommen gut hoch und auf der anderen Seite auch wieder heil runter. Nach einem weiteren hohen Pass über eine Nebenpiste finden wir einen Nachtplatz etwas unter 4'000 Metern Höhe. Zurück auf die Westseite der Cordillera fahren via Teerstrasse über den Punta Olympica Pass (4'800 m). Bei dieser Überquerung sehen wir leider gar keine Berge mehr. Dafür nehmen wir einen LKW-Fahrer mit ins nächste Dorf. Er hat eine Panne und möchte dort Hilfe organisieren.
Huaraz ist das Zentrum für alle Bergsteiger, die einen der vielen Gipfel der Cordillera Blanca erklimmen wollen. Wir nutzen die Stadt als Zwischenhalt und können endlich eine Spezialität Perus probieren. Das frittierte Cuy (Meerschweinchen) ist den Versuch wert, mehr aber nicht. Wir lernen Philippe aus Basel kennen. Er ist etwa gleich lange wie wir unterwegs, zuerst mit seinem Motorrad und seit einigen Wochen mit einem in Peru gekauften Van. Der regnerische Nachmittag bei Reisegeschichten in einem Restaurant vergeht schnell. Am nächsten Morgen zeigt sich die Sonne wieder und wir versuchen es noch einmal mit dem Parque Nacional Huascaran. Südlich von Huaraz stechen wir hinein in die Cordillera und erleben einen Traum-Tag. Der Regen vom Vortag ist hier in Form von Schnee gefallen. Auf 4'000 Metern Höhe begegnen wir den Puna Raimondii (Riesenbromelien) die auf dieser Höhe wachsen und bis 12 Meter hoch werden. Der Kontrast mit dem Schnee und der Anblick der seltenen Pflanzen ist sehr speziell. Weiter oben stellen wir Rhino ab und nehmen den gut ausgebauten Wanderweg zum Pastoruri Gletscher auf knapp über 5'000 Meter unter die Füsse. Wie fast überall auf der Welt, ziehen sich auch hier die Gletscher aufgrund der Klimaerwärmung rasch zurück. Die Aussicht auf die umliegenden Berge ist aber gewaltig. Auf dem Rückweg kommen uns viele Besucher entgegen, die hier in Cars zum Start der Wanderung hochchauffiert werden. Auf einen namenlosen Pass stellt Rhino seinen vorläufigen Höhenrekord auf 4'870 Metern auf.
Von La Union möchten wir eigentlich zur archäologischen Stätte von Huánuco Pampa hochfahren. Wegen einer Baustelle ist die Piste aber bis 17 Uhr gesperrt. So warten wir halt im Tal und nehmen die Piste dann gemeinsam mit dem ebenfalls eingetroffenen Philippe in Angriff. Wir erreichen eine Hochebene, die uns vor Schönheit fast den Atem raubt. Wir übernachten zwischen Pferden, Schafen, Kühen, vielen Lamas und geniessen den weiten Blick über das Grasland. In der Dämmerung sehen wir sogar einen Meteoriten mit einem langen Schweif über unseren Köpfen vorbeifliegen. Von der Stätte Huánuco Pampa selbst beeindruckt uns das Castillo und die drei Tore, welche zur Hauptanlage führen. Der Rest besteht aus vielen Steinhaufen, bei welchen für die Interpretation viel Fantasie gefragt ist. Die Schulklasse aus der Region interessiert sich auch mehr für uns und unsere Fahrzeuge, als für die Steine. Gerne beantworten wir die vielen Fragen, zeigen unsere Fahrzeuge und stehen für Selfies und Gruppenfotos zur Verfügung.
Über eine einsame Piste fahren wir noch einmal über einen hohen Pass und hinab in tiefe Schluchten. Von Weitem sehen wir die verschneiten Berge der Cordillera Huayhuash. Nach einem langen Fahrtag erreichen wir die Stadt Huánuco und lassen uns für einmal in einem Hotel nieder. Da wir nicht auf Tankstellen oder in der Stadt am Strassenrand campen, gibt es keine Alternativen hier. Sergio handelt den Preis für ein Doppelzimmer etwas herunter und wir erhalten dann sogar die Suite mit Salon, riesigem Doppelbett und eigenem Jacuzzi für den reduzierten Preis. Eine tolle Abwechslung zu unserem Reisealltag!
Der 1. November ist Allerheiligen und ein hoher katholischer Feiertag. Vor den Friedhöfen stehen riesige Stände mit Blumen und überall wird an den Eingängen gekocht und gegessen. Wir verziehen uns wieder hoch hinauf. Über eine asphaltierte Strasse und unzählige Bodenschwellen fahren wir nach Huayllay. In der Hochebene auf über 4'100 Metern liegt der Bosque de Piedras, bestückt mit unzähligen schönen Steinformationen. Alle Formationen, die auf dem erhaltenen Plan abgebildet sind, finden wir nicht. Dafür entdeckt Nadine auf unserer Wanderung einen bisher unbekannten Seehund und einen Wal, den Sergio erst mit viel gutem Willen auch als solchen erkennt. Wieder holt uns Philippe mit seinem Van ein und wir campen gleich hier oben zwischen all den Steinformationen und vielen Schafen und Lamas. Der Sonnenuntergang, der Sternenhimmel und die Stimmung am Morgen früh sind überwältigend. Zum ersten Mal in Südamerika erleben wir Minustemperaturen und sogar unser Wassersack enthält am Morgen nur noch Eisklumpen.
Die Strasse durch die Hochebene bei der Laguna Chinchaycocha ist gut ausgebaut und wir kommen gut voran. Bei der "Reserva Paisajística Nor Yauyos-Cochas" biegen wir auf eine Piste ab und fahren zuerst durch viel sanftes Weideland. Hinter dem 4'600 Metern hohen Pass wird es dann richtig spannend. Die Piste führt dem steilen Abhang entlang und wir haben freien Blick in die tiefe Schlucht. Der Fluss ist glasklar und fliesst über viele kleine Wasserfälle. Die sich ergebenden Wasserspiele und Farben sind wunderschön. Wir finden einen super Übernachtungsplatz gleich am Fluss und machen es uns gemütlich.
Eigentlich stehen gar keine Bäume da. Beim Rückwärtsfahren schiessen aber plötzlich riesige Eukalyptusbäume aus dem Boden und Sergio kracht mit Rhino in einen Baum. Resultat: Das hintere Heck auf der Fahrerseite ist 4cm nach vorne geschoben, unsere Heckbox ist verbogen und der Deckel abgerissen. Das Gute daran: Nur Blechschaden und alle Lichter funktionieren noch. Wir wollen das in den nächsten Tagen irgendwo richten lassen.
Wir biegen ab auf die Piste LM-131. Die Piste ist rau und steil, aber toll zum Fahren. Die Ausblicke sind spektakulär. Bei unserem Nachtlager besucht uns der Chef vom nahen Dorf. Nach einem kurzen Schwatz erkundigt er sich, ob wir noch etwas benötigen und wünscht uns dann eine gute Nacht. Über einen namenlosen Pass auf 4'100 Metern überqueren wir die westlichste Cordillera und blicken hinunter in Richtung Pazifik. Leider gibt uns der Küstennebel den Blick nicht bis ganz nach unten frei. Tausende von Kurven bringen uns langsam hinunter in die Tiefe und in die Wüste. Zum Schluss führt die Piste durch ein weites trockenes Flussbett und verliert sich immer wieder auf mehreren Spuren. Nach 2 Tagen Einsamkeit und toller Landschaft erreichen wir die Küste. Wir sind geschockt! Um nach Pisco zu gelangen fahren wir zuerst durch riesige Müllhalden. Peru haben wir allgemein als nicht mehr so sauber empfunden. Was wir hier sehen ist aber grässlich. Die Wüste wird unkontrolliert für die Ablagerung jeglicher Abfälle unserer Konsumgesellschaft genutzt. Zum Glück finden wir beim Paracas Camp einen guten Übernachtungsplatz. Wir verbringen einen gemütlichen Abend mit dem Angestellten, zwei Australieren, einem Brasilianer und einem Portugiesen.
Die Reserva Nacional de Paracas ist der Grund, warum wir an die Küste gefahren sind. Zuerst sind wir etwas enttäuscht. Nebel hängt über der Bucht, das Besucherzentrum hat noch geschlossen und die Landschaft ist langweilig. Wir beobachten die Flamingos in der Lagune und ziehen weiter. Draussen auf der Halbinsel ändert sich das Bild dann immer mehr zum Positiven. Die Sonne zeigt sich und lässt die Farben der Wüste strahlen. Wir besuchen die verschiedenen Aussichtspunkte und suchen uns mit Rhino unseren eigenen Weg durch die Wüste. Wir sind nicht an eine Piste gebunden und nutzen die Gelegenheit wieder einmal richtig Offroad zu fahren. Vor allem Sergio hat natürlich seinen Spass daran. Der nördliche Teil des Parks ist von Besuchern stark besucht. Kaum verlassen wir die Halbinsel, sind wir dann fast alleine unterwegs. Den ganzen Tag fahren wir der Küste entlang nach Süden, überwinden Sanddünen und machen an einsamen Buchten Halt: Tiefblaues Meer, eine Wüste mit allen Rot-, Gelb- und Grautönen, was wünscht man sich mehr? Bei der Ausfahrt nach Ica queren wir dann wieder Müllhalden und viele Armensiedlungen. Hinter einer grossen Düne erreichen wir Huacachina, eine laute und pulsierende Backpacker-Hochburg. Zu hunderten werden die Touristen auf Buggies mit 12 Plätzen in die Dünen gefahren und rund um die kleine Lagune reihen sich Hostels und Restaurants eng aneinander. Kontrastreicher könnten die Eindrücke vom heutigen Tag kaum sein. Wir verdauen das ganze mit einem Pisco Sour und lassen die Eindrücke noch einmal Revue passieren.
Die Strasse von Ica nach Nasca ist langweilig. Wir besuchen 2 Aussichtstürme um die Linien von Nasca und Palpa zu sehen. Einige kleinere Figuren sehen wir, sind aber enttäuscht. Das darf es doch nicht gewesen sein! Entgegen aller negativen Gerüchte rund um die Sicherheit und Eigenschaften der Flugzeuge, entscheiden wir uns für einen Flug über die Nasca Linien. Direkt am Flugplatz in Nasca erhalten wir einen super Preis und buchen den Flug für den Folgetag. Wir lassen Rhinos Heck bei einem Hinterhof-Carosserie-Spengler für 50 Soles (ca. 17 CHF) wieder richten und können ab sofort auch die Heckbox wieder brauchen.
Pilot, Co-Pilot und mit uns 5 Passagiere besteigen am Morgen die kleine Propeller-Maschine. Eines vorweg: Der Flug war genial. Klar, kleine Maschinen liegen halt nicht ganz so stabil in der Luft und wenn jemand an Seekrankheit leidet, kann es einem schon übel werden. Der Pilot fliegt nämlich etliche Steilkurven, damit alle Passagiere die Figuren vom eigenen Fensterplatz aus betrachten können. Nadine wirft zur Sicherheit eine Tablette ein und wir geniessen den Flug. Hoch aus der Luft sehen wir endlich die vielen Linien, Trapeze und Bilder. Wir sind beeindruckt von der geometrischen Präzision, mit welcher die Nascas die riesigen Bilder in die Wüste graviert haben. Vor allem die Komplexität des Kondors und des Fregattvogels lassen uns staunen. Nach einer Runde über die Nasca-Aquädukte landen wir wieder sicher und tief beeindruckt auf dem kleinen Flugplatz.
Ein Besuch der Wüsten-Stätte Cahuachi lohnt sich aus unserer Sicht nicht. Die Grundmauern der Lehmstadt wurden alle neu aufgebaut und es erscheint uns fast mehr wie ein modernes Kunstwerk, als eine alte archäologische Stätte. Quer durch die Wüste fahren wir darum rasch weiter zur Necropolis von Chauchilla. Das gefällt uns schon besser. Wir besichtigen die freigelegten Gräber und blicken hinunter auf die gruseligen Mumien. Da es noch früh am Nachmittag ist, fahren wir weiter und finden einen Übernachtungsplatz mit toller Aussicht in den Bergen.
Unser nächstes Ziel ist Cusco. Die über 600 km bestens ausgebaute Strasse legen wir an 2 Fahrtagen zurück. Einige Male geht es über hohe Pässe. Besonders gut gefällt uns das Teilstück auf einer Hochebene auf 4'600 Metern. Wir fahren über 2 Stunden an Grasland mit vielen Vicuña-, Lama- und Alpáca-Herden vorbei. In Cusco steuern wir den bei Overlandern bekannte Camping Quinta Lala an und treffen auf viele andere Reisende mit ihren Fahrzeugen aus verschiedenen Ländern.
Hier in Cusco erhalten wir Besuch aus der Heimat. Und tatsächlich: Kurz vor dem Eindunkeln trifft unser Freund Stéphane bei uns ein. Er hat sich in Chile einen Offroad-Camper gemietet und wird uns die nächsten Wochen auf unserer Reise begleiten. Die Wiedersehensfreude nach über eineinhalb Jahren ist gross. Gemeinsam geniessen wir den Abend und natürlich gibt es viel zu erzählen und aus der Heimat zu erfahren.
Die Region rund um Cusco und der Süden Perus halten für uns viele Reiseziele bereit. Wir freuen uns auf die Reise zu Dritt und sind gespannt auf die kommenden Erlebnisse.
publiziert am 15.11.2017