Montevideo und Buenos Aires (24.07. - 07.08.2018)
Es ist schon seltsam. Plötzlich sind wir nicht mehr mit dem eigenen Auto unterwegs. Daran müssen wir uns zuerst wieder gewöhnen. Vorerst ist Schluss mit tollen Schlafplätzen in der Natur, spontanem Picknick aus dem immer gut sortierten Kühlschrank und einfach mal dahin fahren, wo wir gerade wollen. Dafür schleppen wir jetzt Koffer und Rucksack durch die Gegend, checken im Hotel ein und beschäftigen uns mit Taxis und Fahrplänen.
Montevideo beschert uns noch einmal zwei schöne Sonnentage. So macht Sightseeing Spass, auch wenn es doch noch recht kühl ist. Wir sehen viele schöne Gebäude und die gemütlichen Cafés und Restaurants laden zum Verweilen ein. Die Fussgängerzone ist tagsüber sehr belebt und uns gefällt es hier. Natürlich lassen wir uns die uruguayische Spezialität "Chivito" nicht entgehen. Die Speise besteht aus Fleisch (bei uns ist es Entrecôte) mit Zwiebeln, Speck und einem Spiegelei zwischen zwei Brothälften serviert. Es schmeckt köstlich! Die alte Markthalle beim Hafen gilt als kulinarisches Zentrum der Stadt. Schon mit Ueli und Myrta hatten wir bei der Organisation der Verschiffung hier gespeist. Noch einmal suchen wir nun den tollen Ort auf und feiern Sergios Geburtstag mit gutem Fleisch von einem riesigen Grill und passendem Rotwein aus der Region. Wir haben in Uruguay übrigens eine weitere tolle Weinregion entdeckt.
Dank einem Tipp steigen wir beim Palacio Municipal in den Lift und lassen uns in den obersten Stock bringen. Die Aussicht über die Stadt und das Hafenbecken ist grandios. Der Besuch ist sogar gratis. Montevideo besitzt eine unendlich lange Promenade mit kleinen Parks und Spazierwegen dem Rio de la Plata entlang. Auch wir spazieren ein Stück der tollen Rambla entlang. Der kalte Wind treibt uns aber rasch wieder in die Innenstadt zurück. Dort erleben wir dann einen weiteren Höhepunkt lateinamerikanischer Organisationskunst. Schon von weitem hören wir Marschmusik mit Trommeln und Blasinstrumenten und finden tatsächlich ein marschierendes Militärspiel in Paradeuniformen. Von der Fussgängerzone biegt das Spiel auf einen Platz ab und findet sich mitten im hupenden Verkehr wieder. Der Spielführer schlängelt die Soldaten mit viel Geschick durch den Gegenverkehr und alle versuchen irgendwie Schritt zu halten. Während das Spiel auf dem Platz noch einige Musikstücke spielt, schieben sich die Autos irgendwie um die Formation herum vorbei. Kein Mensch regt sich auf, weder die Autofahrer, noch die Soldaten und auch das Publikum nicht. Das ist eben Südamerika!
Ein Taxi bringt uns am Morgen zur Buquebus-Fähre. Die Tickets haben wir vorgängig schon via Internet gekauft und checken am Schalter unser Gepäck ein. Das funktioniert hier wie wenn man fliegen würde. Bei den Schaltern der Migración erhalten wir den Ausreisestempel aus Uruguay und gleich auch den Einreisestempel für Argentinien. Die über 200 km Distanz über den Rio de la Platta bis nach Buenos Aires bringt die Fähre in etwas über 2 Stunden hinter sich. Das Schiff mit maximal 950 Passagieren und 135 Fahrzeugen an Bord rast dabei mit 56 Knoten (über 100 km/h) über das Wasser. Sicher erreichen wir den Hafen in Buenos Aires und das Taxi bringt uns ins gebuchte Hotel im Stadtteil Palermo. Dort wird uns für einmal vor Augen geführt, was Photoshop anrichten kann. Die Beschreibung und die Bilder im Internet waren so toll, nur stimmen sie absolut nicht mit der Realität überein. Auf den ersten Blick sind wir mehr in einer Absteige, als in einem Boutique-Hotel gelandet. Nadine möchte am liebsten gleich wieder raus! Auf den zweiten Blick ist alles nicht gar so tragisch. Das Zimmer ist klein und alt, es ist aber alles recht sauber und der nette Pedro kümmert sich rührend um uns. Zum Glück gibt es einige gute Restaurants in der Umgebung und die testen wir gleich mal aus.
Schon am ersten Abend treffen wir Cel und Dani. Wieder gibt es viel zu erzählen. Wir nutzen die Happy-Hour im Grillrestaurant und bestellen reichlich. Auch den nächsten Tag verbringen wir zusammen. Seit wir in Buenos Aires angekommen sind, weint der Himmel und so würde eigentlich ein Indoor-Programm anstehen. Auf eine Führung im Teatro Colón müssten wir aber zu lange warten und so sitzen wir schon wieder im nächsten Café. Den Abend verbringen wir in der Parrilla Don Julio. Gemeinsam philosophieren wir über das vergangene Jahr in Südamerika und wollen eigentlich, dass der Abend nicht zu Ende geht. Der Abschied ist heute besonders schwer. Gemeinsam sind wir in Kolumbien in das Abenteuer Südamerika gestartet, sind uns immer wieder begegnet und haben tolle Stunden erlebt. In Buenos Aires feiern wir nun den gemeinsamen Abschluss in Südamerika. Die Beiden fliegen morgen nach Kapstadt und setzen ihre Reise im südlichen Afrika fort. Irgendwann und irgendwo werden wir uns aber sicher wieder begegnen. Wir sind froh, hat es noch einmal geklappt mit einem Treffen. Danke Freunde!
Das Hotel haben wir übrigens nur aus einer Not heraus für drei Nächte gebucht. Da sich der Verschiffungstermin weiter nach vorne geschoben hat, haben wir jetzt mehr Zeit als ursprünglich angenommen. Nun ist es aber Zeit, in unser gebuchtes Apartment im Stadtteil Palermo umzuziehen. Wow! Es ist eine schicke 1.5 Zimmer Wohnung mit Küchenzeile und eigenem Balkon. Die Aussicht vom 9. Stockwerk ist super! Hier hausen wir also während unseren restlichen neun Tagen in Südamerika. Mit dem Wechsel in die Wohnung bessert sich auch das Wetter schlagartig und wir geniessen Buenos Aires fortan bei Sonnenschein und ab und zu sogar im T-Shirt.
Buenos Aires ist eine riesige Metropole mit über 13 Millionen Einwohnern und hatte bei der Erschliessung von Südamerika durch die europäischen Eroberer eine strategisch wichtige Position. Entsprechend viel gibt es zu entdecken. Wir nehmen zu Fuss an Touren in verschiedenen Barrios teil (so heissen hier die Stadtteile). Immer wieder hören wir die Geschichten um Evita Perón, den Falkland-Krieg und seinen "Madres y Abuelas de Plaza de Mayo", den Tango und die Entwicklung der Stadt vor und nach der Befreiung von den Spaniern aus verschiedenen Blickwinkeln.
Das Barrio Palermo lernen wir vor allem als Bewohner kennen. Palermo ist ein trendiger Stadtteil und viele junge und aufstrebende Menschen leben hier. Die Ateliers vieler Künstler liegen in diesem Stadtteil und überall treffen wir auf Spuren ihrer Kunst in den Strassen. Das vielfältige kulinarische Angebot entspricht genau unserem Geschmack. Die kleinen Quartierläden versorgen uns mit herrlichen Köstlichkeiten und der Coiffeur um die Ecke hat Freude am exotischen Kunden aus der Schweiz. Palermo ist sehr sicher und eignet sich gut als Basisstation für einen längeren Stadtaufenthalt. Wir bewegen uns fast ausschliesslich zu Fuss, mit der Metro und dem Bus in der Stadt. Die U-Bahn ist zu Stosszeiten zwar komplett überfüllt, aber wir lieben es, uns mit den Einheimischen zu bewegen und nicht einfach im Taxi durch die Stadt zu fahren.
Beim Besuch in der Kathedrale findet eine Messe mit hochrangigen Politikern und Militärs aus Argentinien und Peru, sowie Soldaten in Paradeuniform statt. Heute ist Nationalfeiertag in Peru und der argentinische Freiheitskämpfer José de San Martin gilt gleichzeitig auch als Befreier Perus. Seine Überreste liegen hier in einem Mausoleum wo heute zu seinen Ehren Kränze niedergelegt werden. Wir werden also zufällig wieder einmal Zeugen eines Ereignisses besonderer Art.
Den Sonntagsmarkt in San Telmo besuchen wir gleich zwei Mal. Die nach wie vor hohe Inflation in Argentinien und gleichzeitige Entwertung des Peso, ist für die meisten Argentinier ein existenzielles Problem. Um sich über Wasser zu halten, stellen viele Familien in ihrer Freizeit Kunsthandwerk und Handarbeiten her oder sammeln Gegenstände aller Art. Diese werden dann am Wochenende auf einem der vielen Märkte in der Stadt verkauft. In San Telmo zieht sich dieser Antiquitäten- und Kunsthandwerkermarkt über fast 2 Kilometer bis zur Plaza de Mayo. Wir staunen über die tollen Angebote und geniessen die Stimmung auf dem Markt. Bei der Markthalle werden verschiedenste Köstlichkeiten angeboten, unter anderem sogar Raclette. Wir stürzen uns aber auf eine argentinische Spezialität und geniessen endlich ein echtes Choripán (Chorizo + Pan = Choripán = argentinische Variante eines Hot-Dog).
Für etwas Abwechslung zum Stadtleben sorgt unser Ausflug nach Colonia del Sacramento. Noch einmal nehmen wir eine schnelle Fähre über den Rio de la Plata und besuchen den ältesten Ort Uruguays. Der alte Kern mit seinen gut erhaltenen Bauten ist klein und schnell entdeckt. Für einen Tagesausflug ist der Ort aber perfekt. Wir spazieren durch die Gassen und geniessen einen gut zubereiteten Fisch auf der Terrasse eines Restaurants. Am Abend sind wir um einen entdeckten Ort und 4 neue Stempel im Pass reicher.
Der Stadtteil Recoleta entstand nach einem Ausbruch einer Epidemie. Die reichen Leute verliessen die Barrios im Süden und bauten hier ihre noblen Villen. Auch heute noch können wir viele dieser gut gepflegten Villen besuchen. In Buenos Aires sucht man übrigens vergebens nach Kolonialbauten. Nach und nach wurden schon im 18. Jahrhundert alte Gebäude abgerissen, um Raum für Strassen oder Plätze zu schaffen. Die Bauherren orientierten sich vor allem an französischer und italienischer Architektur, welche heute die alten Häuser im Zentrum, Recoleta und San Telmo prägen. In Recoleta besuchen wir auch den berühmten Friedhof mit seinen pompösen Familiengräbern. Viele Berühmtheiten, Generäle und Präsidenten liegen hier begraben. Auch das Grab von Evita Perón steht hier. Es steht zwar etwas versteckt in einer der vielen Gassen im Friedhof, wird aber täglich von unzähligen Menschen besucht.
Zwischen der Plaza del Congreso und der Plaza de Mayo mit dem Präsidentenpalast verläuft die Avenida de Mayo und eigentliche Prunkstrasse der Stadt. In den Seitenstrassen liegen Fussgängerzonen, Bankenviertel und Shopping-Möglichkeiten ohne Ende. Auf den beiden Plätzen finden im Schnitt zwei bis drei Demonstrationen pro Tag statt. Auch bei unseren Besuchen ist immer etwas los. Besonders eindrücklich ist die Geschichte der «Madres de Plaza de Mayo», die seit über 40 Jahren jeden Donnerstag ihren stillen Protest gegen das Verschwinden von über 30'000 Söhnen und Töchter während der letzten Militärdiktatur durchführen. Auch die Angehörigen der 44 Soldaten des U-Bootes, das im vergangenen Dezember gesunken ist, halten hier ständig Mahnwache.
Die vorwiegend italienischen Einwanderer haben das Barrio La Boca Ende des 19. Jahrhunderts geprägt. Im Hafen kamen die Menschen voller Hoffnung an und fanden zuerst einmal nichts. Häuser wurden notdürftig aus Überresten von Schiffen und anderen Materialien zusammengebaut und genau so sehen die Gebäude bei unserem Besuch heute noch aus. Dank dem Einfluss von Künstlern ist das Quartier heute sehr farbig. Gemeinsam mit vielen anderen Besuchern spazieren wir durch die Strasse "El Caminito" und einige andere Gassen. Die vielen riesigen Murales erzählen von der Geschichte der Stadt. Unsere Tour endet bei der Bombonera (die Pralinenschachtel). Das Fussballstadion liegt eingepfercht zwischen Wohnhäusern und ist die Heimat des Traditionsclubs Boca Juniors. Der Fussballer Pelé sagte einst zur Stimmung in der Bombonera: "Wenn du hier einläufst, ist es wie den Löwen zum Frass vorgeworfen zu werden." Den Rest kann man sich wohl denken. Der Club Boca Juniors ist natürlich eng verbunden Maradona und so begegnet einem in diesem Barrio der argentinische Fussballgott an jeder Ecke, sei es als Statue oder als lebendiges Double, welches für Fotos mit Besuchern posiert. Auch der Tango soll laut den Porteños (Einwohner von Buenos Aires) in La Boca entstanden sein. Die Geschichte sagt folgendes: Auf 100 Männern kamen in La Boca knapp 10 Frauen und diese waren meist Prostituierte. Wenn die Männer Schlange standen, versuchten sie immer wieder durch geschicktes Tackling den Platz eines Vordermannes einzunehmen. Diese eleganten Bewegungen waren die Basis für die ersten Tanzschritten des Tangos, der zu Beginn auch nur von Männern getanzt wurde. Irgendwann begannen auch Prostituierte mit den Männern zu tanzen und so kam der Tango zu seinem verruchten Ruf. Erst später konnte sich der Tanz auch in gehobeneren Kreisen durchsetzen und wurde salonfähig.
Diese und noch viele andere Geschichten haben wir über Buenos Aires gehört und gelernt. Auch wenn wir sonst nicht Fan von Grossstädten sind, haben wir wieder einen tollen Ort entdeckt. Ein letztes Mal noch besuchen wir unser Lieblingsrestaurant in Palermo und lassen uns vom Chef-Asadero mit bestem Rindfleisch in argentinischen Portionen verwöhnen.
Jetzt ist also der Moment da. Wir verabschieden uns von diesem wunderbaren Kontinent Amerika. So viel durften wir in den vergangenen über zwei Jahren entdecken und Abenteuer erleben. Die vielen tollen Begegnungen mit all den Menschen werden uns ein Leben lang begleiten. Wir sind unendlich dankbar! Eines wissen wir mit Bestimmtheit: Wir waren nicht zum letzten Mal hier! British Airways bringt uns über Nacht von Buenos Aires via London nach Zürich. Wenn alles klappt, sollten wir morgen am 08. August kurz nach Mittag in der Schweiz landen. Was uns dann erwartet? Wir wissen es selber nicht. Noch ist es ein seltsames Gefühl zurückzukehren. Wir freuen uns aber riesig auf unsere Liebsten, unsere Freunde und unsere Heimat!
publiziert am 07.08.2018