Insel Chiloé und Carretera Austral (20.01. - 11.02.2018)
Es bildet sich eine lange Autoschlange vor dem Grenzübergang am Paso Cardenal Antonio Samoré. Wir haben kurz vor der Grenze gecampt und werden freundlich in die Wartereihe eingelassen. Als der Grenzposten um acht Uhr seine Tore öffnet, geht es zügig voran (Details hier). Die Ausstellplätze um Schneeketten zu montieren brauchen wir im Sommer natürlich nicht und so bezwingen wir rasch den nicht so hohen Pass. Wieder in Chile füllen wir unsere Vorräte im kleinen Supermarkt von Entre Lagos auf und ziehen gleich weiter zum Lago Llanquihue. Auch diese Region ist geprägt von deutschen Einwanderern. Wieder machen wir Rast bei einem Café und probieren vom guten Kuchen.
Wir fahren hoch zum Volcán Osorno. Der Nebel vom Morgen hat sich verzogen und wir haben freien Blick auf den Lago Llanquihue, den verschneiten Osorno und den Vulcàn Canbuco im Hintergrund. Die Sesselbahn vom Skigebiet läuft auch im Sommer und es sind viele Besucher da. Wir unternehmen nur einen kurzen Spaziergang, geniessen die Aussicht und verziehen uns dann wegen dem starken Wind wieder runter an den See auf einen Campingplatz. Vom Strand aus haben wir freien Blick auf den Vulkan, den wir beim Apéro geniessen. Zwei schweizer Auswanderer, die seit 10 Jahren in Santiago leben, erzählen uns einiges über ihr Leben in Chile. Es scheint ihnen sehr gut zu gefallen.
In Puerto Montt wollen wir eigentlich nur Geld beziehen. Die Stadt macht auf uns aber einen schönen Eindruck und wir unternehmen einen kurzen Spaziergang. Natürlich besuchen wir auch den alten Fischmarkt Angelmo, wo wir zwei Stücke frisch geräucherten Lachs erstehen. Jetzt haben wir sie also erreicht, die Fjorde von Chile. Auf Nebenstrassen fahren wir der Küste entlang und übernachten gleich am Meer an eben so einem Fjord. Es weht eine frische Brise, wir beobachten die Fischer und geniessen den tollen Ort.
In 20 Minuten bringt uns die Fähre auf die Insel Chiloé, wo wir die nächsten Tage verbringen wollen. In einem Café in Ancud treffen wir zufällig wieder auf Cel und Dani. Das Wiedersehen wird natürlich am Abend gleich mit einem Assado und Rotwein an einem gemütlichen Wildcamp am Meer gefeiert. Nadine und Cel erstehen bei einer Nachbarin ein "Mote con Huesillos". Die extrasüsse chilenische Zwischenmahlzeit besteht aus einem in Zuckersaft eingekochten Pfirsich und Getreidebrei. Probieren muss man es ja mal.
Nach einem Abstecher zur alten spanischen Festung von Fuerte Ahui besuchen wir die Pinguine in Piñihuil. Hier leben verschiedene Kolonien von Humboldt- und Magellan-Pinguinen, denen wir auf einer Bootstour ganz nahekommen. Pinguine begeistern uns immer wieder. Hoffentlich erhalten wir weiter südlich noch Möglichkeiten, andere Arten kennenzulernen. Besonders bekannt ist die Insel Chiloé für ihre alten Holzkirchen, von welchen auch wir einige besuchen. Jede Kirche besitzt Fassaden aus Schindeln, ist anders bemalt und hat eine eigene Form. Die Handwerkskunst der Zimmerleute, die hier am Werk waren, begeistert uns. Am besten gefallen uns die Kirchen in Achao und Castro. Palafitos werden die Häuser auf Stelzen in Castro genannt. Wegen dem grossen Tidenhub ist diese Bauweise hier von Nöten. Auch wir schauen uns diese Attraktion natürlich an. Bei der weiteren Fahrt über die Inseln sehen wir in der Ferne immer wieder die verschneiten Anden auf dem Festland. Das Wetter bleibt uns wohlgesinnt. Die Wanderung zur Muelle de las Almas lohnt sich nicht. Felsen im Wasser haben wir schon oft gesehen und erst noch gratis.
Bei einem Mittagessen in der Cocineria am Hafen von Dalcahue wagen wir uns an die hiesige Spezialität "Curanto". Jeweils zu zweit teilen wir uns eine Portion vom deftigen Eintopf mit einer Art Knödel, Kartoffel, Wurst, Schweinefleisch, Huhn und vielen Muscheln.
Auch wenn wir nicht viele Kilometer auf der eigentlichen Panamericana gefahren sind, so fahren wir doch die letzten bis ganz ans Ende und das gemeinsam Cel und Dani. In Quellón markiert der Hito Cero den Start oder eben das Ende der längsten Strasse der Welt. Von hier sind es über 21'000 km bis nach Anchorage in Alaska. Hier in Quellón treffen wir endlich auch auf die Gufligers. Caro und Hifi sind auch mit einem Landy unterwegs. Wir waren einige Male im Kontakt, heute klappt es endlich mit einem Treffen. Da alle 3 Fahrzeuge auf die gleiche Fähre nach Chaitén gebucht sind, kommt es zu einer richtigen schweizer Offroader-Karavane beim Befahren der Fähre. Mit 2 Stunden Verspätung legen wir ab. Die fünf Tage auf Chiloé haben uns super gefallen, jetzt wartet aber die Carretera Austral auf uns!
Mit dem Bau der Carretera Austral wurde erst 1976 unter Diktator Pinochet gestartet und der Bau im südlichsten Abschnitt dauerte bis in die 90er Jahre hinein. Dank der 1'350 km langen Strasse wurde Patagonien auch auf chilenischer Seite erschlossen. Auch heute noch gilt die Carretera als Abenteuerstrasse, da die Naturgewalten oft stärker sind, als die Ideen der Ingenieure. An vielen Orten wird immer noch gebaut und von der einstigen Stein- und Erdpiste sind heute grosse Abschnitte mit feinstem Asphalt versehen. Dort wo die Strasse noch unbefestigt ist, befahren wir eine durchwegs gut unterhaltene Schotterpiste. Da wir von Chiloé herkommen, lassen wir den nördlichsten Teil der Strasse aus und steigen bei Chaitén quer ein.
Wir wachen auf und stehen mit 5 anderen Reisefahrzeugen am Meer. Alle sind wir mitten in der Nacht von der Fähre gefahren und haben den erst besten Platz angesteuert. Der Himmel ist blau, das Meer ruhig und 2 vorbei schwimmende Delfine wecken unsere Aufmerksamkeit. Wir verabschieden uns von allen und machen uns auf in den Sektor El Amarillo des Naturparks El Pumalín. Rhino stellen wir auf dem Campingplatz im Park ab und wandern hoch zum Aussichtspunkt "Michinmahuide". Es ist ein kurzer Aufstieg und die Aussicht auf die Gletscher lohnt sich. Zurück beim Stellplatz ziehen wir mit Rhino einen festgefahrenen Pickup aus einem Stellplatz und geniessen dann die tolle Aussicht im Park. Rundherum wachsen Pangues. Das sind Rhabarber ähnliche Pflanzen, die jedoch riesengross werden. Die Stiele werden Nalca genannt und auch gegessen.
Auf uns wirkt der Pumalín Park oft etwas künstlich. In manchen Abschnitten fühlt man sich eher wie in einem grossen Stadtpark mit gemähten Rasen und zurechtgestutzten Sträuchern. Der US-amerikanisch sterile Einfluss der Besitzerfamilie ist unverkennbar. Auch dass wir vom Ranger als Begrüssung eine Liste mit 10 Verboten erhalten, wirkt sehr US-amerikanisch. Ok, wir waren vielleicht ein bisschen schneller unterwegs, als die erlaubten 30 km/h, aber in Lateinamerika fällt das sonst eigentlich niemandem auf. Hier werden wir auch seit langem von einem Stellplatz vertrieben. Im Park ist wildes campen absolut verboten, nur war uns nicht bewusst, dass wir auf Parkboden stehen. Tja, das war dann wohl nicht so unser Tag.
Wir versöhnen uns aber doch noch mit dem Park. Die Wanderung hoch zum Volcán Chaitén ist eine Wucht! Erst 2008 hat der Vulkan den gleichnamigen Ort Chaitén mit einer dicken Ascheschicht bedeckt. Nur langsam kehren die Einwohner zurück und der Vulkan raucht und qualmt immer noch vor sich hin. Der Aufstieg ist steil, die Nähe zum qualmenden Vulkan, die farbigen Seen sowie die Aussicht rundherum sind aber unbezahlbar.
In Chaitén decken wir uns mit Lebensmitteln ein, tanken den teuersten Diesel in Chile bisher und fahren wieder zum Strand. Gemeinsam mit unseren Freunden warten wir wieder auf eine Fähre. Eine Schlammlawine hat die Strasse weiter südlich auf mehreren Kilometern weggespült. Der Staat hat reagiert und eine Umfahrungsfähre eingerichtet. Diese fährt zwei mal täglich und ist sogar gratis. Schon von Chiloé aus haben die Gufligers für alle 3 Fahrzeuge vorreserviert (Danke!). Zum Glück, denn der Ansturm ist gross und ohne Reservation wartet man tagelang. Wir fahren beim Eindunkeln auf die Fähre, klappen unsere Hubdächer auf und legen uns in unserem eigenen Bett schlafen. Die anderen Passagiere quetschen sich in den heruntergekommenen Gemeinschafts-bereich der Fähre und verbringen die Nacht auf Sofas oder am Boden. Es zahlt sich immer wieder aus, das eigene Bett dabei zu haben.
Nach einer erstaunlich milden Nacht erreichen wir den kleinen Fährhafen von Puerto Raúl Marin Balmaceda. Bei einem nahen Strand schlafen wir noch ein paar Stunden weiter und ziehen dann erst gegen Mittag los. Eine Flussfähre bringt uns wieder näher an die Carretera Austral, der Fahrtag bleibt aber kurz. Wir finden einen Platz an einem breiten Fluss mit Blick auf verschneite Berge. So muss Patagonien sein! Das Wetter ist toll und als dann noch ein Otter im seichten Flussbett auftaucht, wollen wir definitiv nicht mehr weiterfahren. Auch am am nächsten Morgen kommen wir nur langsam in die Gänge.
Vorbei geht es an Fjorden, Flüssen und Seen. Wieder müssen wir auf eine provisorische Fähre ausweichen, weil an der Strasse gebaut wird. Die 2 Stunden Wartezeit überbrücken wir mit Sandwiches streichen für die kommende Wanderung. Wir wollen heute noch hoch zum Gletscher Ventisquero Colgante. Der Aufstieg ist auch hier steil und der Blick auf den nahen hellblau leuchtenden hängenden Gletscher muss auch für uns verdient sein. Zur Krönung sehen wir am Abend im Fjord sogar 3 Delfine ganz nahe an uns vorbei schwimmen.
In Puerto Aysén kaufen wir bei der Fischereigenossenschaft gleich 2 Lachshälften. Wir treffen uns wieder mit unseren Freunden und verspeisen den Lachs vom Grill mit passenden Beilagen. Der Abend wird gemütlich und spät. Zum Morgenessen gibt es frisch gebackenen Zopf von Hifi. Wir sind auf dem Campingplatz Las Torres del Simpson. Natürlich werden auch wir vom Besitzer Nacho zu einer Runde Mate eingeladen. Er bringt uns die Mate-Kultur der Gauchos mit der ganzen Zeremonie und vielen Anekdoten näher. Der Mate schmeckt, wird aber unseren Kaffee in der Küchenschublade wohl auch in Zukunft nicht ablösen.
Einkaufen ist auf der Carretera Austral nicht immer einfach. Da wir aber keinen strikten Einkaufszettel haben, erhalten wir immer genügend frische Lebensmittel. Orte wie Coyhaique kommen natürlich auch uns entgegen. Wir nutzen den grossen Supermarkt mit Vollangebot inklusive lange Warteschlangen an den Kassen. Frisch eingedeckt mit Lebensmitteln und Bargeld geht es weiter südwärts vorbei an Flüssen, Seen, Bergen und Gletschern. Kurz sehen wir sogar hoch zum Cerro Castillo. Ein erstes Mal erleben wir die Launen des patagonischen Wetters welches fast minütlich zwischen Regen und Sonnenschein zu ändern scheint.
Die Farbe des zweitgrössten Sees Südamerikas beeindruckt uns. Nicht nur die Buchten, nein, der ganze See leuchtet hellblau. Zwei Tage harren wir in Puerto Tranquilo am Lago General Carrera aus. Die starken Winde und das wechselhafte Wetter lassen keine Ausflüge zu den Marmorhöhlen zu. Wir überbrücken die Zeit mit Reiseplanung und einem Ausflug ins Valle Exploradores. Durch die Wolken sehen wir links und rechts die Gletscher an den Bergen. Der Fluss schimmert türkisblau. Am nächsten Morgen klappt es dann. Für kurze Zeit zeigt sich die Sonne, gibt den Blick auf die frisch verschneiten Berge frei und auch der Wind hat nachgelassen. Sofort besteigen wir ein Ausflugsboot. Wobei sofort hier ja immer mit einer Stunde Wartezeit verbunden ist. Die Sonne ist schon wieder weg und wir fahren in der Nussschale hinaus zu den Marmorhöhlen. Das Wasser und der Zahn der Zeit haben Grotten, Höhlen und andere Steinformationen im Uferbereich entstehen lassen. Die Farbstruktur des Marmors und die Farbe des Sees tragen das ihre zu diesem Naturschauspiel bei. Wir staunen, wie die Felsen im Wasser selbst bei diffusen Lichtverhältnissen leuchten. Der Wind hat wieder aufgefrischt und die Rückfahrt zum Hafen gleicht einer Achterbahnfahrt. Ohne grössere Blessuren und kurz vor dem nächsten Regenguss erreichen wir Puerto Tranquilo und versuchen an etwas warmes Essen zu kommen. Ein Restaurant hat noch geschlossen, das zweite hat eine Reisegruppe zu bedienen und so begnügen wir uns mit ein paar Empanadas im netten Café.
Wir übernachten am Ufer des Rio Baker und brauchen mal wieder unsere Standheizung. Die Wassermassen sind gewaltig. Noch eindrücklicher ist aber auch hier wieder die Farbe des Flusses. Ist es nun smaragd-grün oder türkis-blau? Wir sind uns nicht einig... Hier lernen wir die Familie Hodel aus Santiago kennen. Die ausgewanderten Schweizer verbringen immer wieder ihren Urlaub hier in Patagonien. Vom passionierten Fischer erhalten wir sogar eine fangfrische Forelle geschenkt. Danke!
Den kurzen Spaziergang zum Confluencia Baker, wo der Rio Baker mit dem Rio Nef zusammenfliesst lassen auch wir uns nicht entgehen. Die tosenden Wassermassen sind gewaltig und das Wasser der verschiedenfarbigen Flüsse vermischt sich nur langsam. Bei Sonnenschein fahren wir weiter und erreichen Cochrane. Im einzigen Supermarkt weit und breit decken wir uns mit etwas Gemüse als Beilage für die Forelle ein. Der Laden führt nicht nur Lebensmittel, sondern auch das komplette Sortiment Eisenwaren, sowie Fischerei- und Jagdzubehör. Hier kann man also neben Fleisch, Tomaten und Motorsägen gleich auch das Gewehr für den Ausflug kaufen. Praktisch! Im Camping Nadis besetzen wir gleich das Feuerhaus und braten unsere Forelle perfekt auf der schönen Glut. Bei der deutschen Besitzerin Lilli erhalten wir auch frisch gebackenes Vollkornbrot. So macht Patagonien Spass!
Hier im Süden ist die Carretera Austral nun definitiv eine unbefestigte Strasse. Wir folgen ihrem Lauf bis Caleta Tortel, welches erst seit einigen Jahren mit Fahrzeugen erreichbar ist. Im ganzen Dorf hat es keine Strassen. Wir bewegen uns ausschliesslich zu Fuss auf Holzstegen weiter. Auch heute noch fühlt man sich im kleinen Ort am Fjord fern ab von jeglicher Zivilisation. Die Carretera Austral würde noch bis Villa O'Higgins führen. Wir sparen uns aber die letzten Kilometer und drehen wieder um. Neues würden wir wohl nicht mehr sehen und der Paso Mayer nach Argentinien (nur für Offorad-Fahrzeuge!) kann nur im Winter bei tiefem Wasserstand der Flüsse passiert werden. Gerne hätten wir das Abenteuer mit den Break-a-ways und den Gufligers gewagt. Der aktuelle Wasserstand der Flüsse, lassen das Vorhaben aber leider nicht zu.
Wir erwachen bei 2 Grad Celsius am Morgen an einem breiten Fluss. Nach einem Tag mit sehr wechselhaftem Wetter, lacht wieder die Sonne und wärmt uns bald auf. Wir fahren einen Abstecher an den Lago Cochrane mit seinem glasklaren Wasser und dann weiter durch den Parque Patagonia. Auch dieser Naturpark wird auf privater Basis betrieben. Alles ist hier noch im Aufbau und in einigen Jahren erwartet hier die Besucher wohl ein perfekt betriebener Park. Wir beschränken uns auf die Fahrt über die unbefestigte Strasse und geniessen die Landschaft und die vielen Guanacos, die hier grasen. Immer mehr ändert sich die Landschaft. Es wird karger und trockener. Ein klares Zeichen, dass wir uns langsam aber sicher der argentinischen Pampa nähern. Dort wollen wir unsere Reise durch Patagonien fortsetzen und werden bald wieder berichten.
publiziert am 19.02.2018