Baltimore – Great Smoky Mountains NP (12.05. - 26.05.2016)
Am Morgen des 12. Mai 2016 stehen wir früh auf. Beide sind wir nervös und fragen uns, ob wohl bei der Übernahme von Rhino im Hafen alles glatt läuft. Gibt es Komplikationen am Zoll? Wurde das Fahrzeug beschädigt? Ist noch alles drin und dran? Ist Rhino wirklich da?
Von Seabridge wurde uns für die Fahrzeugabholung Herr Müller als Begleitperson empfohlen. Er holt uns um Viertel vor sieben im Hotel ab und unterwegs zum Hafen nehmen wir noch 2 weitere Paare mit. Esther und Werner sind für 6 Monate in Nordamerika mit ihrem Camper unterwegs und D'Jo und Michel reisen für 1 Jahr mit ihrem Camper durch Nord- und Südamerika.
Im Hafen erledigen wir den Papierkram und während Herr Müller die drei Fahrzeuge abholt, plaudern wir mit den anderen Reisenden, die gleich nervös sind wie wir. So vergeht die Zeit wie im Flug und als wir Rhino erblicken ist die Erleichterung riesig. Er ist wirklich da, ohne Schäden, alles ist noch dran und drin und am Zoll gab’s auch keine Probleme!
Wir machen Rhino startklar und schon rollen wir vom Hafen auf die I95 in Richtung Süden. Nach einem kleinen Einkauf für das Nachtessen und Volltanken fahren wir auf den Campingplatz im Greenbelt Statepark bei Washington DC. Jetzt geht es darum, Rhino auszuräumen und nach der Schifffahrt wieder reisetauglich einzuräumen. Die provisorische Abdeckung aus Holz fällt einem ersten Freudenfeuer zum Opfer und alles findet einen Platz. Das erste Nachtessen im Freien mit einem Glas Rotwein lassen wir uns besonders schmecken und wir finden bald einen tiefen Schlaf in unserem eigenen Bett.
Nach dem Auffüllen unserer Vorräte führt uns unsere Reise in Richtung Westen in den Bundesstaat Virginia. Als der Verkehr nach den vielen Grossstadtautobahnen immer weniger wird, zeigt sich zum ersten Mal seit wir in den USA sind sogar die Sonne! Rhino hat die Schiffsreise gut überstanden und steuert mit uns gleich den Shenandoah Nationalpark an.
In den 1930er Jahren wurde hier in den Appalachen als Beschäftigungsprogramm in der Wirtschaftskrise eine 105 Meilen lange Panoramastrasse gebaut und ein Nationalpark eingerichtet. Der Park bietet mit seinen Campgrounds und ca. 800 km Wanderwegen ein tolles Erholungsparadies für die nahen Grossstädte der Ostküste. Entsprechend gross ist der Andrang im Sommer und im Herbst. Es gibt viele Wildtiere und auch Schwarzbären in den Wäldern. Auf unseren Wanderungen sehen wir 3 Schwarzbären, Rotwild und verschiedene Vogelarten. Die Vegetation ist noch nicht weit fortgeschritten. Der Frühling hat erst eingesetzt und das wenige Laub in den Wäldern leuchtet hellgrün in der Sonne.
Der Stony Man Lookout verspricht einen tollen Ausblick. Schon von weitem sehen wir schwarze Wolken aufziehen, aber für einen Trail von ca. 1 Stunde wird es schon reichen. Falsch gedacht! Als wir beim Aussichtspunkt sind (es wäre wohl wirklich eine super Aussicht hier...) zieht plötzlich ein Sturm mit dichtem Nebel, starkem Wind und Regen auf. Wir machen rechtsumkehrt und als wir Rhino erreichten, sind unsere Hosen durchnässt und die Regenjacken triefen. Nach kurzer Zeit ist der Spuk dann vorbei. Der Regen ist weg, aber der Sturm ist geblieben und es ist sehr kalt geworden. Wir trotzen der Kälte, machen Feuer und grillieren Fleisch. Beim Eindunkeln verziehen wir uns dann aber ins Fahrzeuginnere und geniessen die wohlige Wärme unter der Bettdecke.
Auch am Morgen brauchen wir zum ersten Mal die Standheizung. Der eisige Wind zwingt uns dazu, unser Morgenessen im Fahrzeug einzunehmen. Auch das ist Premiere! Bisher konnten wir auf unseren Reisen mit Rhino immer draussen essen. Die restliche Zeit der 4 Tage im Park verbringen wir mit dem Besuch einer Vorführung einer Rangerin über Greifvögel und Wanderungen zum Lewis Fall und zum Bear Fence Rock. Beim Wandern haben wir warm, sonst suchen wir warm Orte (wie der geheizte Waschsalon) oder verkriechen uns am Abend in Rhino und lassen die Standheizung ihren Dienst tun.
Die nächsten 450 Meilen in Richtung Südwesten sollen uns über den Blue Ridge Parkway führen. Auch dieser Parkway wurde in den 1930er Jahren erbaut und führt als Panoramastrasse auf dem Kamm der Appalachen von Virginia nach North Carolina. Die Aussicht muss wunderschön sein und die Möglichkeiten auf Pfaden Wanderungen zu unternehmen sind riesig. Nur kommt zum Regen und Kälte jetzt auch noch ein hartnäckiger Nebel hinzu, der sich auf dem Bergkamm festsetzt. Auf dem gesamten Parkway beträgt die Sichtweite etwa 15-20 Meter und da macht das Fahren nicht so Spass. Wir verziehen uns darum in den Talboden und legen uns ein Schlechtwetterprogramm fest. Wir lernen das schmucke Stadtzentrum von Roanoke kennen und fahren durch das weite Weideland von Virginia. Überall hat es Baumschulen, wo man seinen Christbaum selber absagen könnte. Ab und zu fahren wir wieder hoch in den Nebel zum Parkway, besuchen die Mabry Mill, Blowing Rock und das Linn Cove Viaduct. In Asheville bummeln wir durch das Stadtzentrum und entscheiden uns Biltmore zu besuchen.
Biltmore Estate ist mit 250 Zimmern das grösste Wohnhaus der USA. Es wurde Ende des 19. Jahrhunderts in nur 6 Jahren von George Washington Vanderbilt II nach Vorbild der grossen Schlösser und Gärten in Europa erbaut und ist auch heute noch in Familienbesitz. Das Anwesen ist riesig, alleine die Fahrt zum Haus durch den Vorgarten ist 3 Meilen lang. Die Besichtigungstour beeindruckt uns. So ein schönes Gebäude mit vielen Kunstgegenständen hatten wir nicht erwartet. Es ist lustig, dass das Luxushaus von damals schon eine eigene Bowlingbahn, einen Fitnessraum und einen Indoor Swimmingpool hatte. Auf dem Anwesen ist auch ein Weingut und eine Luxus-Ferienanlage zu finden. Biltmore ist heute Arbeitsplatz für über 2000 Angestellte und aus unserer Sicht auf jeden Fall einen Besuch wert!
Die besseren Wetteraussichten lassen uns weiterziehen in den Great Smoky Mountain Nationalpark. Hier bleiben wir 5 Tage. Mit 6 Millionen Besuchern ist dieser Nationalpark der Meistbesuchte der USA. Im Teil der in North Carolina liegt, bekommen wir von den vielen Besuchern noch nicht viel mit. Von Gatlinburg aus, ein Retorten-Ferienort mit viel amerikanischer Unterhaltungsindustire am Rande des Parks in Tennessee, strömen dann die vielen Besucher mit ihren Autos auf den Clingmans Dome (höchster Punkt im Park auf 2025 m.ü.M.) und auf den Cades Cove Loop, eine Art Freilichtmuseum mit alten Häusern, Kirchen und Bauernhöfen. Wenn wir uns aber nur ein paar 100 Meter von den Aussichtspunkten oder Parkplätzen entfernen, haben wir den Park fast für uns alleine. Wir teilen die weiten Wälder auf unseren Wanderungen nur mit vielen grosse Schmetterlinge in den schönsten Farben, mit Bären und vielen anderen Wildtieren, die wir beobachten. Nachdem wir tagelang immer nur das Klopfen an den Bäumen gehört haben, entdeckt Nadine endlich einen Original-Specht (der mit dem roten Kamm, der so aussieht wie Woody Wood Pecker aus den Trickfilmen). Wir wandern den Smokemont Loop, den Rich Mountain Loop und zu den Abrams Falls. Bei schönem Wetter faulenzen wir auch, machen Feuer und geniessen unsere Zeit hier in der Natur. Es ist jetzt Sommer geworden und da macht das Leben draussen so richtig Spass! Den Nationalpark verlassen wir über die Rich Mountain Road und führen Rhino endlich mal wieder artgerecht aus. Er hatte sich schon beschwert, immer nur auf Teerstrassen zu fahren.
Jetzt eben noch zu unserem Shootingstar Rhino... Wir wussten von anderen Reisenden, dass man in Amerika mit einem Land Rover Defender immer wieder mal auffällt und angesprochen wird. Dass es aber so krass ist, hätten wir nicht gedacht. Wir müssen Rhino regelrecht erziehen, dass er keine Starallüren entwickelt, wenn gestandene Cowboys jüngeren und älteren Semesters plötzlich zu Groupies werden und unbedingt ein Foto von Rhino schiessen wollen. Eines ist sicher: Die Fangemeinde wächst rapide!... Wir werden täglich x-mal auf Rhino angesprochen; auf der Strasse, beim Einkaufen, auf den Stellplätzen und und und. Alle möchten wissen, wo man so ein Fahrzeug bekommt. Das sei ja ein Traum auf 4 Rädern! In Amerika sieht man solche Fahrzeuge höchst selten, da der Defender schon seit Jahrzehnten nicht mehr importiert werden darf. Das Schöne an der Sache für uns ist, dass wir so mit allerlei Menschen ins Gespräch kommen und auch immer wieder Tipps erhalten, was wir auf unserer Reise durch die USA unternehmen sollen. Die Leute hier können fast nicht glauben, dass es so einfach ist, das eigene Fahrzeug von Europa in die USA zu verschiffen und durch Amerika zu reisen. Es kommt auch vor, dass uns ausgewanderte Europäer einen Zettel mit den besten Wünschen für unsere Reise unter die Scheibenwischer heften... (Liebe Grüsse zurück an Gabi!).
Langsam finden wir unseren Reiserhythmus, denn bis jetzt fühlte sich alles noch so ein bisschen wie Ferien an. Für uns geht es aber nicht zurück nach Hause, sondern weiter in Richtung Südwesten. Das nächste Wochenende ist Memorial Day in den USA und alle haben frei und sind unterwegs. Was uns da erwartet, ob wir in Nashville zu Countrystars werden, in Memphis wirklich den lebenden Elvis finden und am Mississippi einen Raddampfer übernehmen, lest ihr dann im nächsten Bericht.
publiziert am 27.05.2016