Baja California Nord (31.10. - 24.11.2016)
Kaum einen Meter hinter dem Grenzzaun in Tecate stehen wir in einer neuen Welt. Die Strassen sind eng und schlecht, die Imbissbuden am Strassenrand dampfen, Menschen gehen wieder zu Fuss, die Autos sehen mehr nach Schrottplatz als Strassenbetrieb aus und das ganze Leben pulsiert. Der Grenzübertritt geht schneller als gedacht (eine Beschreibung findet ihr hier) und schon sitzen wir in der ersten Taco-Bude und genehmigen uns unser erstes echtes mexikanische Mittagessen. Kosten tut es fast nichts und schmeckt besonders gut. Willkommen in Mexiko!
Die Fahrt an die Westküste ist dann wie ein Schritt zurück. Die Küstenorte sind sehr amerikanisch und touristisch geprägt. Die Preise sind in US-Dollar angegeben und auch nicht wirklich günstig. Wir treffen in Ensenada ein und steuern auf's Geratewohl eine Garage an um endlich die Bremsbeläge von Rhino wechseln zu lassen. Die Leute sind nett und versprechen die Teile zu organisieren. Der Termin für 3 Tage später ist gefixt und wir fahren zum Einkaufen und parkieren Rhino neben einem anderen, gleichfarbigen Defender TD4 mit mexikanischem Nummernschild. Wir lernen den Besitzer Tona, seines Zeichens Mitglied des Baja Rovers Club kennen. Er lädt uns sofort ein, als schweizer Ehrengäste auf der Baja Rover 2016 Tour in der kommenden Woche dabei zu sein. Leider müssen wir ablehnen. Mit dem Zustand unserer Bremsen möchten wir nicht all zu weit fahren und erst recht nicht querfeldein.
Einige Tage verbringen wir draussen bei La Bufadora. Wir geniessen den Strand und die Aussicht über die Klippen. La Bufadora selbst ist einen Schlund, aus welchem bei Flut die Gischt hoch spritzt. Ein Besuchermagnet, welcher jedoch mehr durch all die Verkaufs- und Imbissstände, als durch das Naturschauspiel selbst beeindruckt. Der 2. November ist in Mexiko ein grosses Fest. Die Leute begehen den katholischen Tag der Toten auf spezielle Art und Weise. Auf den Friedhöfen versammeln sich die Familien, erstellen Altare, kochen und feiern mit ihren Toten. Leider finden wir in der Umgebung keinen Friedhof um das mitzuerleben. Wir begnügen uns darum mit einem langen Strandspaziergang, einem "Pan de Muerto" und einem Totenkopf aus Zuckerguss, den man sich zum Feiertag schenkt.
Mit den Bremsen für Rhino klappt es dann nur teilweise. Am vereinbarten Termin sind nur die Beläge für die Vorderbremsen da. Diese werden montiert und uns versprochen, dass wir Bescheid erhalten, wenn die hinteren Bremsbeläge eintreffen. Wenn wir grosses Glück haben klappt es Ende nächster Woche. Sonst erst übernächste Woche, dann bleiben wir halt etwas länger....
Schon von den USA aus haben wir uns für eine Woche Spanisch-Unterricht in Ensenada angemeldet. Um auch etwas Auszeit vom Reisen zu nehmen, mieten wir über AirBnB eine Wohnung für eine Woche. Diese liegt nur ein paar 100 Meter von der Schule entfernt und für uns sehr praktisch! Unser Vermieter Jesse gibt uns reichlich Tipps für unseren Aufenthalt und kümmert sich um uns. Die Schule selbst ist sosolala... Wir bilden zu zweit eine Klasse, was wir eigentlich vermeiden wollten. Da aber nur zwei andere Schülerinnen neben uns noch da sind, welche schon fliessend Spanisch sprechen, gibt es keine andere Wahl. Jeden Tag konjugieren wir 5 Stunden lang Verben und reden uns den Mund müde. Das ist echt anstrengend! Ob es was gebracht hat, werden wir dann sehen.
Ensenada selbst ist geprägt von den Besuchern der Kreuzfahrtschiffe aus den USA. Kaum legt ein Schiff an, öffnen alle Restaurants, Läden und insbesondere die Apotheken. Da kaufen die Amerikaner dann all die Medikamente, die sie hier billig und ohne Rezept erhalten. Nebenbei nehmen sie an Bar-Hopping-Touren teil und leeren sich Tequilla und Cerveca in die Kehle. Ist gerade kein Schiff da, scheint die Stadt eher zu schlafen um diese Jahreszeit. Wir geniessen trotz allem den Hafen, essen guten Fisch und Tacos und finden immer wieder neue tolle Lokale um die Zeit zu vertreiben. Immer wieder treibt es uns auch zum interaktiven Springbrunnen am Hafen. Die Wasserfontainen tanzen zur Musik und am Abend wir das ganze zusätzlich mit farbigen Lichtern verschönert. Lustig ist auch die Parade der Junior-Baseball-Liga von Ensenada. Zum Start der Saison präsentieren sich die Teams in einem Umzug dem Publikum. Voraus läuft eine Gruppe Jugendlicher mit Tambouren und Trompeter und dahinter alle Mannschaften der Dreikäsehoch. Die Polizei sperrt die Strasse und es kommt zum Verkehrschaos. Egal! Mannschaften wie Pescados, Tomateros und Marineros laufen stolz im Umzug mit. Einziger Wermutstropfen während unserem Aufenthalt in Ensenada ist, dass uns unser Brändi-Grill und die Militärblache aus der Radtasche von Rhino geklaut wurden.
Ach ja, auch das mit Rhinos Bremsen klappt dann noch. Tatsächlich erhalten wir von der Garage eine E-Mail, dass die Teile jetzt da sind. Also: Nichts wie hin und montieren lassen. Endlich sind wir wieder mobil und der Weiterreise nach fast 2 Wochen in und um Ensenada steht nichts mehr im Weg!
Wir finden an der Windschutzscheibe von Rhino eine Visitenkarte. Sie ist von Thomas, ausgewanderter Schweizer und Oenologe im Valle de Guadalupe. Wir kontaktieren ihn und schon geniessen wir zwei tolle Tage im grössten Weinanbaugebiet von Mexiko. Wir lernen die Weinkellereien Paralelo, Bruma, Casa di Piedra und Vinisterra kennen, staunen über die Architektur und probieren natürlich die verschiedenen Weine. Das Nachtessen mit lauter Oenologen (Thomas und Christoph aus der Schweiz, Christina aus Spanien und Daniele aus Chile) schmeckt vorzüglich. Den Abend verbringen wir mit zwei mexikanischen Praktikanten abgelegen zwischen den Reben. Wir üben uns im Spanisch, trinken Wein und tauschen Grappa aus. Es ist gemütlich. Danke Thomas für den Blick „hinter die Kulissen“, die Gastfreundschaft und die tolle Zeit!
Noch einmal führt uns unser Weg nach Ensenada. Die BAJA1000, eine der berüchtigtsten Rallyes der Welt steht an. Heute ist Staging im Hafengelände. Wir erkennen die Stadt kaum wieder. Es hat tausende von Besuchern und überall drängen sich die Menschen rund um die Rennbolliden. Natürlich fahren wir dann raus in die Berge und verfolgen das Rennen am Tag danach life an der Strecke. Wir hatten uns vorher gut informiert, wo die Wagen durchrasen. Das wäre aber nicht nötig, denn überall entlang der Rennstrecke campen die Fans und man sieht den Track so schon von weitem. Wir stellen uns dazu und fiebern mit.
Die ersten mexikanischen Militärkontrollen auf der Strasse passieren wir problemlos und erreichen dann die Ostküste der Baja. Im Valle de los Gigantes stehen riesige Kakteen. Diese werden über 1500 Jahre alt und sind in ihrer Grösse wohl einzigartig. Wir kurven mit Rhino im Sand durch das Tal und staunen. Von San Felipe fahren wir südwärts und geniessen die Tage am Strand. Zuerst spielt das Wetter nicht so mit und es regnet sogar. Schnell wird es aber besser und die Temperaturen sind tagsüber angenehm warm. Wir spazieren am Strand und beobachten Delphine und fliegende Fische. Neben den vielen anderen Wasservögeln amüsieren uns die Pelikane mit ihrer tollpatschigen Art Fische zu jagen besonders.
Hier sind sie nun, alle die Panamericana-Reisenden. Langsam aber sicher trudeln alle aus den USA auf der Baja California ein. Täglich lernen wir neue Reisende aus der ganzen Welt, insbesondere auch aus Deutschland und der Schweiz kennen. Antje und Michael zum Beispiel reisen mit einem alten umgebauten Feuerwehrauto und teilen mit uns einen Stellplatz an der Bahia San Luis Gonzaga. Stefan aus dem Berner Oberland bereist die Panamericana im LandCruiser schon zum 2. Mal und weiss uns viel zu erzählen.
Als wir über die Holperpiste bei Coco's Corner eintreffen sind wir die ersten Besucher heute. Coco ist ein komischer Kauz. Er sammelt alles, von Slips, BH's, Visitenkarten bis zu WC-Schüsseln steht alles rum. Für uns kocht er Kaffee, will für Fotos posieren und zeigt mit Stolz die Einträge im Besucherbuch, wo auch wir uns verewigen. Lange wird diese Ecke wohl nicht mehr so speziell sein. Mit Hochdruck wird hier an einer Strasse gebaut, welche die Touristen von San Felipe auf direktem Weg weiter nach Süden bringen soll.
In Bahia de los Angeles richten wir uns für einige Tage auf dem Archelon Campo Ecological ein. Wir stehen neben einer Palapa am Strand und geniessen die Sonne. Antonio führt hier das Lebenswerk seines Vaters weiter. Dieser war vor 30 Jahren der erste, der hier die Schildkröten schützte und so etwas wie ein Naturschutzgebiet eingerichtet hat. Hier sehen wir in Mexiko zum ersten mal einen Ort, an dem Abfall getrennt wird, Wasser vernünftig verwendet und zur Natur geschaut wird. Leute wie Antonio muss man einfach unterstützten. In einem Gespräch finden wir dann heraus, dass er eigentlich als Winzer gearbeitet hat und Thomas (den aus dem Valle de Guadalupe) gut kennt. Die Welt ist auch in Mexiko klein...
Sergio verbringt dann mit Rhino noch einen halben Tag bei einem Mechaniker in einer "Hinterhofgarage". Seit ein paar Tagen knattert es komisch von der hinteren Achse her. Nachdem die Beiden alle möglichen Teile demontiert und geprüft haben, stellt sich heraus, dass die neuen Bremsbeläge am hinteren linken Rad zu viel Spiel haben und an der Metallhalterung aufschlagen. Kein eigentliches Problem, aber lästig ist das Knattern trotzdem. Zwei kleine Plastikstücke dienen jetzt als Keil und der Lärm ist weg.
Die bisher schönste Strecke auf der Baja California führt uns über eine unbefestigte Piste ins Valle de los Cirios. Wir fahren mitten durch unzählige Kakteen in allen Formen und Grössen. Genau so hatten wir uns die "wilde" Baja vorgestellt. Wir machen Halt bei der Misiòn San Francisco de Borja. Wie viele andere Missionen ist auch diese nicht mehr von Ordensmännern bewohnt. Uns gefällt die Kirche und das angrenzende Kloster, welche mit einer Führung besucht werden können. Wir fahren noch etwas weiter und finden unser Nachtlager mitten in den Kakteen.
Was uns im Moment etwas zu schaffen macht, sind die kurzen Tage. Zwar geht schon um 6 Uhr morgens die Sonne auf, jedoch ist es um 5 Uhr abends schon dunkel. Die Abende sind dadurch sehr lang. Kaum ist die Sonne weg, ist es auch kühl. Das haben wir etwas unterschätzt. Es gibt darum nur eines: Weiter Richtung Süden! Davon aber mehr im nächsten Bericht.
publiziert am 26.11.2016